Vorabpauschale bei Investmentfonds: Wieso, weshalb, warum? 

von Robert Buhles und Jan Henrik Albig

Seit einigen Tagen informieren viele Broker ihre Kunden, dass im nächsten Jahr eine Vorabpauschale auf die gehaltenen Fonds und ETFs fällig werden könnte. Die Kunden sollen sicherstellen, dass ein Guthaben für anfallende Zahlungen vorhanden oder ein entsprechender Freistellungsauftrag eingerichtet sei. 

Doch worum handelt es sich bei dieser Vorabpauschale und warum wird diese zum Beginn des neuen Jahres fällig? 

Die Vorabpauschale wurde durch die Investmentsteuerreform 2018 eingeführt. Diese soll die laufende Besteuerung von Fonds, zu denen auch ETFs als Indexfonds zählen, sicherstellen. Dies führt dazu, dass von einem Fond erzielte Erträge/Kursgewinne, auch ohne eine tatsächlich vorgenommene Ausschüttung im vergangenen Jahr besteuert werden müssen. Vor 2018 mussten Steuern erst gezahlt werden, wenn auch ein Verkauf stattgefunden hat und somit ein echter Gewinn realisiert wurde und zugeflossen ist.  

Obwohl es das Gesetz, wie gerade beschrieben, schon seit 2018 gibt, wird Anfang 2024 für das Jahr 2023 die Steuer auf diese Pauschale nach zwei Jahren erstmalig wieder erhoben. Das liegt daran, dass der sogenannte Basiszins, der zur Berechnung der Vorabpauschale relevant ist (siehe unten), in 2023 wieder positiv ist. 

Wie erfolgt die Berechnung?  

Die Vorabpauschale stellt einen fiktiven Wert/Gewinn dar, welche als Bemessungsgrundlage für die Steuer dient. 

Um diesen fiktiven Wert zu berechnen, werden die folgenden Parameter vom Fiskus herangezogen: 

 -Börsenpreis zum ersten Werktag des vergangenen Jahres  

-Börsenpreis zum letzten Werktag des vergangenen Jahres 

-Basiszins des vergangenen Jahres (Wird ermittelt aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen) 

-Erfolgte Ausschüttungen des jeweiligen Fonds im vergangenen Jahr. 

Der Basiszins wird von der Deutschen Bundesbank jährlich auf den ersten Börsentag des Jahres berechnet. Dieser Zins wird vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht. (Für 2023 beträgt dieser 2,55 %) 

Berechnung generell:  

Schritt Formel 
 Basisertrag 1 berechnen Börsenpreis am ersten Werktag des Jahres × (0,7 × Basiszins) 
 Basisertrag 2 berechnen (Börsenpreis am letzten Werktag – Börsenpreis am ersten Werktag) + Ausschüttung 
Entscheidung, welcher Basisertrag angewandt wird Wenn Basisertrag 1 > Basisertrag 2, dann Basisertrag 2, ansonsten Basisertrag 1  
Vorabpauschale berechnen Basisertrag – Ausschüttung des Jahres 
Steuer berechnen Vorabpauschale × Kapitalertragsteuer zzgl. Solidaritätszuschlag 

Die Vorabpauschale selber stellt somit keine Steuer dar. Sie dient als fiktiver Gewinn für die Berechnung der Steuer. 

Zu beachten ist, dass Erträge von ETFs, die mehr als 50 % in Aktien investieren und somit als Aktienfonds gelten, zu 30 % steuerfrei sind. Somit muss bei Berechnung der Steuer die Vorabpauschale mit 70 % multipliziert werden.  

Erträge von ETFS, die mind. 25 % in Aktien investieren und somit als Mischfond gelten, sind zu 15 % steuerfrei. Die Vorabpauschale ist somit mit 85 % zu multiplizieren. 

Wurde der ETF oder Fonds erst im Laufe des Jahres gekauft, verringert sich die Vorabpauschale um ein Zwölftel für jeden vollen Monat, der dem Monat des Kaufes vorangeht.  

Im Folgenden sollen zwei kleine Beispiele zur Ermittlung der Vorabpauschale für das Jahr 2023 dargestellt werden. 

Beispiel 1: Kauf eines thesaurierenden ETFs vor 2023 (Aktienfonds) 

  • Börsenpreis des eigenen Anteils zum ersten Werktag 2023 = 1.000 EUR 
  • Börsenpreis des eigenen Anteils zum letzten Werktag 2023 = 1.200 EUR 
  • Ausschüttung im Jahr 2023 = 0 EUR 
  • Basiszins des Jahres 2023 laut Bundesministerium der Finanzen = 2,55 % 
Schritt Formel 
 Basisertrag 1 berechnen 1.000 EUR × (0,7 × 0,0255) = 17,85 EUR 
 Basisertrag 2 berechnen 1.200 EUR – 1.000 EUR + 0 EUR = 200 EUR 
Entscheidung, welcher Basisertrag angewandt wird 17,85 EUR < 200 EUR, also wird der Basisertrag 1 für die Berechnung der Vorabpauschale herangezogen 
Vorabpauschale berechnen 17,85 – 0 EUR = 17,85 
Steuer berechnen Steuer = (17,85 × 0,7) × 0,26375 = 3,30 

Somit beträgt die Vorabpauschale 17,85 EUR. Auf diese wird die Kapitalertragssteuer mit insg. 26,375 % (inkl.- Solidaritätszuschlag) erhoben, welche 3,30 EUR beträgt, da 30 % des fiktiven Ertrags steuerfrei sind. 

Beispiel 2: Kauf eines thesaurierenden ETFs am 01.07.2023 (Mischfond) 

  • Börsenpreis des gekauften Anteils zum ersten Werktag 2023 = 1.000 EUR 
  • Börsenpreis des gekauften Anteils zum letzten Werktag 2023 = 1.200 EUR  
  • Ausschüttung = 0 EUR 
  • Basiszins des Jahres 2023 laut Bundesministerium der Finanzen = 2,55 % 
Schritt Formel 
 Basisertrag 1 berechnen 1.000 EUR × (0,7 × 0,0255) = 17,85 EUR 
 Basisertrag 2 berechnen 1.200 EUR – 1.000 EUR + 0 EUR = 200 EUR 
Entscheidung, welcher Basisertrag angewandt wird 17,85 EUR < 200 EUR, also wird der Basisertrag 1 für die Berechnung der Vorabpauschale herangezogen 
Vorabpauschale berechnen (17,85 – 0 EUR) × 6/12 = 8,93 EUR 
Steuer berechnen (8,93 × 0,85) × 0,26375 = 2,00 EUR 

Somit beträgt die Vorabpauschale 8,93 EUR. Auf diese wird die Kapitalertragssteuer mit 26,375 % inkl. Solidaritätszuschlag erhoben, welche 2,00 EUR beträgt, da 15 % des fiktiven Ertrags steuerfrei sind. 

Die beiden Beispiele zeigen, dass die Steuerbelastung im Vergleich zum Fondswert relativ gering ist und für eine hohe finanzielle Belastung viele eigene Fondsanteile vorliegen müssten. 

Aus steuerlicher Sicht gelten die berechneten Vorabpauschalen, also der fiktive Gewinn aus dem ETF für 2023, am ersten Werktag des Folgejahres als zugeflossen. Deshalb werden viele Besitzer von ETFs und Fonds im Januar 2024 die entsprechende Kapitalertragssteuer auf die individuelle Vorabpauschale bezahlen müssen. Die zu zahlende Steuer bzw. die ermittelte Vorabpauschale verringern sich jedoch durch bei den Banken erteilte Freistellungsaufträge, mit einer maximalen Höhe von insg. 1.000 €. Ist ein solcher Auftrag nicht vorliegend, kann im Rahmen der jährlichen Steuererklärung geprüft werden, ob die Kapitalerträge den Freibetrag von 1.000 € unterschreiten. In diesem Fall würde die angefallene Steuer erstattet werden.  

Die gezahlte Vorabpauschale wird für den Fall eines späteren Verkaufs der Anteile auf die tatsächlich anfallende Steuer angerechnet. Es kommt somit zu einer Steuervorauszahlung, die zu einem späteren Zeitpunkt, die Steuer auf die erzielten Kursgewinne, verringert.