Geplante Erhöhung der Schwellenwerte der Größenklassen für Kapitalgesellschaften nach HGB:  Änderungen und Auswirkung auf die Praxis 

von Robert Buhles und Jan Henrik Albig

Die Definitionen der Größenklassen für Kapitalgesellschaften und bestimmte Personengesellschaften, welche in § 267 und § 267a HGB kodifiziert sind, sind eine der zentralsten Vorschriften im HGB. Durch sie wird entschieden, wie umfangreich ein Unternehmen seinen Jahresabschluss und insbesondere den Anhang aufzustellen und offenzulegen hat, ob ein Lagebericht erstellt werden muss und ob ein Unternehmen verpflichtet ist, seinen Jahresabschluss weiterhin von einem Abschlussprüfer prüfen zu lassen. Somit ist die jeweilige Einordnung in eine der vier Größenklassen für Unternehmen von höchster organisatorischer und wirtschaftlicher Bedeutung. 

Diese Einordnungskriterien in Form von Schwellenwerten will der Gesetzgeber rückwirkend für das Jahr 2023 anheben. Die expliziten Änderungen und die Auswirkungen auf die Praxis sollen im Folgenden erläutert werden. 

Wie hoch belaufen sich die Schwellenwerte der Größenklassen bisher? 

Nach § 267 und § 267a HGB belaufen sich die Schwellenwerte der einzelnen Größenklassen zurzeit noch wie folgt: 

Merkmale/ Größenklasse Kleinstkapitalgesellschaft nach § 267a HGB Kleine KapG Mittlere KapG Große KapG 
Bilanzsumme in Euro ≤ 350.000 ≤ 6 Mio. ≤ 20 Mio. > 20 Mio. 
Umsatzerlöse in Euro ≤ 700.000 ≤ 12 Mio. ≤ 40 Mio. > 40 Mio. 
Durchschnittliche Arbeitnehmer ≤ 10 ≤ 50 ≤ 250 > 250 
Tabelle: Größenklassen aktuell

Ein Unternehmen muss mindestens zwei der drei Merkmale an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen überschreiten, um in die jeweils höhere Größenklasse eingeordnet zu werden. Bei einer Neugründung wird die Bestimmung der Größenklasse bereits am ersten Abschlussstichtag nach Gründung vorgenommen. 

Wie hoch belaufen sich die geplanten neuen Schwellenwerte der Größenklassen? 

In der aktuell geplanten neuen Fassung des § 267 und § 267a HGB belaufen sich die Schwellenwerte der Größenklassen wie folgt: 

Merkmale/ Größenklasse Kleinstkapitalgesellschaft nach § 267a HGB Kleine KapG Mittlere KapG Große KapG 
Bilanzsumme in Euro ≤ 450.000 ≤ 7,5 Mio. ≤ 25 Mio. > 25 Mio. 
Umsatzerlöse in Euro ≤ 900.000 ≤ 15 Mio. ≤ 50 Mio. > 50 Mio. 
Durchschnittliche Arbeitnehmer ≤ 10 ≤ 50 ≤ 250 > 250 
Tabelle: Geplante Größenklassen

Zu erkennen ist, dass sich nur die Merkmale Bilanzsumme und Umsatzerlöse verändert haben. Diese wurden im Schnitt um ca. 25 % angehoben. Dies soll unteranderem eine Anpassung an die mit der Inflation zusammenhängenden Preiserhöhungen darstellen und viele Unternehmen entlasten, die bspw. aufgrund gestiegener Preise die Anzahl ihrer verkauften Produkte oder Dienstleistungen nicht verändert haben, aber trotzdem aufgrund von höheren Umsatzerlösen in eine höhere Klasse aufgestiegen sind. 

Die Anhebung resultiert rechtlich aus der Umsetzung der Delegierten Richtlinie 2023/2775 der Kommission vom 17. Oktober 2023 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates ins nationale Recht (vgl. hier und im Folgenden Bundesministerium der Justiz (2023)). Laut dem BMJ sollen durch die Anhebung der Schwellenwerte und der daraus folgenden Erweiterung der Klassenbreite bei den kleineren und von bilanzrechtlichen Pflichten befreiten Größenklassen ca. 52.000 Unternehmen profitieren. Das jährliche Entlastungspotenzial für die Wirtschaft durch die Erweiterung des Personenkreises, die z.B. von der Abschlussprüfung oder der Offenlegung befreit sind, beziffert das BMJ auf ca. 650 Mio. Euro. 

Wie wirkt sich die geplante Anhebung der Schwellenwerte auf die Praxis aus? 

Eine wichtige Besonderheit bei der Umsetzung der Gesetzesänderung ist, dass obwohl wir uns schon im Jahr 2024 befinden, die Anpassung der Größenklassen nach dem aktuellen Gesetzesentwurf rückwirkend für Geschäftsjahre ab oder nach dem 1. Januar 2023 beginnend vorgenommen werden soll. Dies hat zur Folge, dass die Zuordnung schon für die Abschlusserstellung des vergangenen Jahres geprüft werden sollte, um im Zweifel deutliche Erleichterungen im Rahmen der Abschlusserstellung und der Offenlegung nutzen zu können. Hierbei ist zu beachten, dass die neuen Werte im Rahmen der Größenklassenbestimmung auch für das Vorjahr anzusetzen sind. War ein Unternehmen nach den alten Werten im Jahr 2022 und 2023 eine mittlere Kapitalgesellschaft und ist nach den neuen Werten im Jahr 2022 und 2023 eine kleine, so ist diese als kleine Kapitalgesellschaft einzustufen. Somit sind die neuen Werte für den zu prüfenden zwei Jahreszeitraum zugrunde zu legen.  

Beispiel: 

Der Jahresabschluss der A GmbH zeigt folgende Werte: 

 2021 (Gründung) 2022 2023 
Bilanzsumme in Euro 6,5 mio.  7,0 mio.  7,5 mio.  
Umsatzerlöse in Euro 10,0 mio. 12,0 mio. 14,0 mio.  
Durchschnittliche Arbeitnehmer 56 58 60 
Tabelle: Beispiel Jahresabschluss

Für das Jahr 2021 hat das Unternehmen den Jahresabschluss nach den Vorgaben einer mittelgroßen Kapitalgesellschaft aufzustellen, da die Bilanzsumme und die Arbeitnehmeranzahl die Schwellenwerte einer kleinen Gesellschaft nach altem Recht am ersten Stichtag überschreiten. Auch für das Jahr 2022 überschreiten die Bilanzsumme und die Arbeitnehmerzahl im Zweijahresvergleich nach der alten Gesetzgebung die Schwellenwerte. Für das Jahr 2023 muss die Gesellschaft nur noch einen Jahresabschluss wie eine kleine Kapitalgesellschaft aufstellen, da nach den neuen Schwellenwerten nur noch die Arbeitnehmerzahl für 2022 und 2023 zu hoch ist. 

Weiterhin ist dieses Thema höchst aktuell für alle Gesellschaften, die von einer großen zu einer mittleren oder von einer mittleren zu einer kleinen Gesellschaft schrumpfen, da mittlere und große Kapitalgesellschaften von einem Wirtschaftsprüfer zu prüfen sind. Durch die rückwirkende Änderung der Größenklasse kann es Auswirkungen auf die Jahres- und Auslastungsplanung der WP-Gesellschaften geben, falls diese Thematik nicht in bereits geschlossenen Auftragsschreiben berücksichtigt wurde, z.B. mithilfe einer Exit-Klausel. Sollte dies der Fall sein, wäre zu klären, ob der Prüfungsauftrag aufgelöst oder zu einer freiwilligen Prüfung für das Jahr 2023 umgewandelt wird. 

Unternehmen sollten die Gesetzgebung im Auge behalten, um im Rahmen der Aufstellung und auch der Offenlegung sowie einem eventuellen Prüfungsverzicht bei einem Wechsel der Klasse entsprechende Kapazitäten einsparen zu können und von den Änderungen profitieren zu können.  

Geplant ist die Umsetzung der Gesetzesänderung zurzeit für den März 2024. 

Literaturverzeichnis 

Bundesministerium der Justiz (2023): Anhebung der Schwellenwerte bei der Bilanzierung und Rechnungslegung für kleine und mittelständische Unternehmen, in: bmj.de, unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/1222_Schwellenwerte_Bilanzierung.html (abgerufen am 27.01.2024).