von Robert Buhles und Jan Henrik Albig
Vorab der Hinweis, dass es sich im Folgenden nur um eine rein steuerliche Betrachtung handelt. Auswirkungen der Steuerklasse auf Lohnersatzleistungen oder die Altersvorsorge werden hier nicht erläutert.
Um die deutschen Steuerklassen ranken sich viele Mythen. Eine von diesen besagt, dass die Wahl der Steuerklasse das jährliche Nettoeinkommen von verheirateten Paaren oder eingetragenen (eing.) Lebenspartnerschaft beeinflusst und so, mit der richtigen Wahl, jedes Jahr Steuern gespart werden können. Doch entspricht dies der Realität?
Wird die jährlich zu erstellende Steuererklärung oder der daraus resultierende Steuerbescheid betrachtet, fällt auf, dass auf diesen keine Angaben zur gewählten Steuerklasse im Rahmen der Ermittlung der Steuerlast erfolgt. Daraus folgt, dass für die Berechnung der jährlich zu zahlenden Einkommensteuer die Wahl der Steuerklasse nicht relevant ist. (Diese Aussage gilt somit für alle Steuerpflichtigen nicht nur für verheiratete Paare oder eing. Lebenspartnerschaft.)
Sehr wohl von Bedeutung ist sie allerdings für das durch den Arbeitgeber monatlich ausgezahlte Nettogehalt. Dieses kann je nach Steuerklasse variieren, was dazu führt, dass den beiden Personen innerhalb des Jahres ein höheres oder niedrigeres Nettogehalt zur Verfügung steht. Mithilfe der Steuerklassen wird vom Gesetzgeber, mehr oder weniger erfolgreich, versucht, die individuell steuerlichen Gegebenheiten der Steuerpflichtigen so zu berücksichtigen, dass die monatliche Steuerbelastung möglichst nah an der tatsächlichen jährlich berechneten Einkommensteuer liegt. Dies führt im Ergebnis jedoch auch dazu, dass, sobald Eheleute oder eing. Lebenspartner von der für sie geltenden “Standardklasse” (jeweils Steuerklasse IV) abweichen, eine jährliche Steuererklärung verpflichtend beim Finanzamt abzugeben ist. Bei den anderen Klassenkombinationen besteht nämlich die Möglichkeit, dass die Steuervorauszahlungen durch den Arbeitgeber zu gering waren. So müssen Ehegatten und eing. Lebenspartnerschaften zwingend eine Steuererklärung abgeben, wenn sie beide Arbeitslöhne im Veranlagungsjahr erhalten haben und einer von ihnen Steuerklasse III, V, VI oder IV mit Faktor gewählt hat. Zum Beispiel wird bei der Steuerklassenkombination III/V der Ehegatte mit Steuerklasse III bei der Berechnung der monatlichen Lohnsteuer mit dem doppelten Freibetrag berücksichtigt, wodurch sein monatlicher Lohnsteuerabzug geringer ist als im Standardfall. Beim Ehepartner mit Steuerklasse V werden hingegen bei dem monatlichen Lohnsteuerabzug keine Freibeträge berücksichtigt, wodurch er einen höheren Lohnsteuerabzug hat und bereits der erste verdiente Euro versteuert wird. Bei der Wahl der “Standardklasse” IV besteht hingegen für den Fiskus nicht die Gefahr, dass zu wenige Steuern vorausgezahlt wurden.
Um Steuern zu sparen, ist die Wahl der Veranlagungsart viel entscheidender. Die Ehepartner oder eing. Lebenspartner können dabei zwischen der Einzel- und der Zusammenveranlagung, die mit dem Ehegattensplitting einhergeht, wählen. Dies bedeutet, dass die beiden Personen wie ein Steuerpflichtiger behandelt werden. Ihre Gehälter werden hierbei zu einer Summe addiert und zur Berechnung der Einkommensteuer halbiert. Der hiervon berechnete Steuerbetrag wird verdoppelt und stellt die festzusetzende Steuer(last) dar. Aufgrund des in Deutschland steigenden (progressiven) Steuersatzes kann damit die Steuerlast oftmals verringert werden (siehe Beispiele unten). Die Zusammenveranlagung bietet den Vorteil, dass vorhandene Freibeträge im Steuerrecht voll ausgeschöpft werden können und in den meisten Fällen ein niedrigerer Steuersatz, durch das begünstigte Berechnungssystem für Zusammenveranlagte, genutzt werden kann. Werden die Steuerklassen III und V gewählt, sollte konsequenterweise auch die Zusammenveranlagung genutzt werden. Die vorherigen Effekte der Steuerklassen würden sonst im Rahmen der endgültigen Steuerberechnung vollständig rückgängig gemacht, da jede Person individuell auf ihr Gehalt Steuern zahlen muss und die Person mit Steuerklasse III innerhalb des Jahres deutlich zu wenig Steuern monatlich abgeführt hat, die Person mit Steuerklasse V deutlich zu viel.
Hierbei ist zu beachten, dass sich diese Aussagen nur auf Paare beschränken, bei denen beide Personen ausschließlich Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit erzielen und beide entweder einer Konfession angehörig sind oder nicht. Für die Fälle, bei denen es zu Kapitaleinkünften oder anderen Einkünften kommt, ist für jeden Fall individuell zu betrachten, ob die Zusammenveranlagung steuerliche Vorteile bringt oder sich nachteilig auswirkt. Wie in den meisten steuerlichen Fragestellungen gilt somit “Es kommt drauf an” und es lässt sich keine pauschal geltende Aussage für alle Sachverhalte treffen.
Das folgende Beispiel soll die Auswirkung der Zusammenveranlagung bei Paaren mit Einkünften aus nicht selbständiger Tätigkeit vereinfacht darstellen: (Hinweis: Um die Effekte deutlich darstellen zu können, wurde ein sehr großer Unterschied zwischen den Gehältern gewählt)
Tab. 1: Keine Zusammenveranlagung und kein Ehegattensplitting (unterschiedliche Gehälter)
Jährlich zu versteuerndes Einkommen in EUR | Jährliche Steuerlast in EUR | Jährliches Nettoeinkommen in EUR | |
Ehepartner 1 | 100.000 | 32.027 | 67.973 |
Ehepartner 2 | 7.500 | 0 | 7.500 |
Summe | 107.500 | 32.027 | 75.473 |
Quelle: Eigene Darstellung; https://www.bmf-steuerrechner.de/ekst/eingabeformekst.xhtml
Tab. 2: Zusammenveranlagung und Ehegattensplitting (unterschiedliche Gehälter)
Jährlich zu versteuerndes Einkommen in EUR | Jährliche Steuerlast in EUR | Jährliches Nettoeinkommen in EUR | |
Ehepartner 1/2 | 107.500 | 25.520 | 81.980 |
Quelle: Eigene Darstellung; https://www.bmf-steuerrechner.de/ekst/eingabeformekst.xhtml
In diesem Beispiel ist zu erkennen, dass sich durch die Zusammenveranlagung 6.507 EUR Steuern sparen lassen. Dies liegt daran, dass Ehepartner 2 mit seinem Gehalt unter dem Grundfreibetrag von 10.908 EUR (Stand 2023) liegt und diesen somit bei der Einzelveranlagung nicht voll ausschöpfen kann (siehe Tab. 1). Bei der Zusammenveranlagung wiederum werden bei den Ehepartnern beide Freibeträge auf das gesamte Gehalt voll angewandt. Ebenfalls wird bei der Zusammenveranlagung und dem daraus resultierenden Ehegattensplitting nicht der Steuersatz für 107.500 EUR, sondern nur der für die Hälfte, also 53.750 EUR, berechnet. Durch die progressive Steuersatzformel führt dies zu einem viel niedrigeren Durchschnittssteuersatz (in diesem Beispiel 23,75 % anstatt 32,72 %). Die hieraus resultierende Steuer wird abschließend verdoppelt, wie oben schon beschrieben. Was in diesem Beispiel nicht zu erkennen ist, ist dass die zusammenveranlagten Steuerpflichtigen keinen Solidaritätszuschlag zahlen müssen, was ebenfalls für die Zusammenveranlagung spricht. Der Solidaritätszuschlag wird nämlich bei der Einzelveranlagung ab einer Steuerlast von 17.543 EUR und bei Zusammenveranlagten ab einer Steuerlast von 35.086 EUR erhoben.
In einem zweiten Beispiel soll gezeigt werden, dass die Zusammenveranlagung und das Ehegattensplitting bei Paaren, die ein ähnliches Gehalt haben, sich nicht auswirken, jedoch unter den oben aufgeführten Annahmen auch keine negativen Konsequenzen haben kann.
Tab. 3: Keine Zusammenveranlagung und kein Ehegattensplitting (gleiche Gehälter)
Jährlich zu versteuerndes Einkommen in EUR | Jährliche Steuerlast in EUR | Jährliches Nettoeinkommen in EUR | |
Ehepartner 1 | 53.750 | 12.760 | 40.990 |
Ehepartner 2 | 53.750 | 12.760 | 40.990 |
Summe | 107.500 | 25.520 | 81.980 |
Quelle: Eigene Darstellung; https://www.bmf-steuerrechner.de/ekst/eingabeformekst.xhtml
Tab. 4: Zusammenveranlagung und Ehegattensplitting (gleiche Gehälter)
Jährlich zu versteuerndes Einkommen in EUR | Jährliche Steuerlast in EUR | Jährliches Nettoeinkommen in EUR | |
Ehepartner 1/2 | 107.500 | 25.520 | 81.980 |
Quelle: Eigene Darstellung; https://www.bmf-steuerrechner.de/ekst/eingabeformekst.xhtml
Vergleicht man Tabelle 3 mit 4 ist zu erkennen, dass die Einkommensteuerbelastung, bei Eheleuten und eing. Lebenspartnerschaften, die sehr ähnlich verdienen, bei beiden Veranlagungsarten gleich hoch ist. Auch würde hier die Zusammenveranlagung keinen steuerlichen Vorteil bei dem Solidaritätszuschlag bieten.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die deutschen Steuerklassen nicht dazu dienen, ein höheres jährliches Nettoeinkommen zu erzielen, sondern eine realitätsnahe Steuervorauszahlung zu gewährleisten. Einzig die Veranlagungsart ist in diesem Beispiel für die Höhe der jährlichen Steuerbelastung ausschlaggebend. Darüber hinaus führt die Abweichung von der Steuerklasse IV zur verpflichtenden Abgabe der jährlichen Steuererklärung, was auch zu mehr Kosten durch die Inanspruchnahme eines Steuerberaters oder eines Lohnsteuerhilfevereins führen kann. Jedoch ist auch die Abgabe einer freiwilligen Steuererklärung für Steuerpflichtige mit der Steuerklasse IV zu empfehlen, da es in diesem Fall oftmals durch Werbungskosten und Sonderausgaben zu einer Steuererstattung kommen kann.