von Jan Henrik Albig
Bei dem Begriff Hundezucht denken wohl die wenigsten an die Umsatzsteuer. Schon das Wort und die Assoziationen mit diesem stehen im kompletten Gegensatz zu kleinen, knuffigen und liebenswerten Welpen. Doch sollten Hobbyzüchter und Hobbytrainer hier mindestens einmal genauer hinschauen, denn schnell kann aus einem „Hobby“ eine dem Umsatzsteuergesetz nach unternehmerische Tätigkeit werden und die umsatzsteuerliche Unternehmereigenschaft erfüllt sein. Wird diese erst im Nachhinein vom Finanzamt oder einem selbst entdeckt, können die finanziellen Folgen gravierend sein. Steuernachzahlungen drohen. Wie so oft gilt: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht.
Im Folgenden möchte ich daher einige Aspekte der Umsatzsteuer beleuchten und aufzeigen, ab wann die Unternehmereigenschaft dem Umsatzsteuergesetz nach vorliegen kann. Hundetrainer können die Konsequenzen aus dem dargestellten Sachverhalt entsprechend auf ihre Tätigkeit anwenden. (Umsatzsteuerliche Fragestellungen sind in vielen Fällen komplex, die Folgen umfangreich. Der Artikel hat daher ausschließlich das Ziel, ein allgemeines Verständnis der Problematik zu verschaffen und zu sensibilisieren. Er kann nur als Einstieg in die Thematik dienen. Systematiken werden daher vereinfacht dargestellt.)
Beginnen möchte ich mit dem folgenden Beispiel:
Der begeisterte Hundebesitzer H hat seit vielen Jahren drei Labrador Hündinnen. Im Jahr 2022 hat er zum ersten Mal eine seiner Hündinnen verpaart und es folgte ein Wurf mit vier Welpen. Diese verschenkte er an Familie und Freunde. Da ihm die Aufzucht der Welpen viel Freude bereitet hatte, beschloss H ab jetzt, jährlich Würfe durchzuführen und diese nicht mehr nur zu verschenken, sondern zu verkaufen, da mit der Zucht auch viele Ausgaben für ihn einher gehen. H plante für das Jahr 2023 zwei Würfe. Er setzte eine übersichtliche, aber informative Homepage auf, legte ein Instagram-Profil an und begann auf beiden, über seine geplanten Würfe zu berichten. Er gewann schnell Reichweite und Interessenten für die Würfe. Da die Nachfrage nach Welpen in Deutschland seit der Corona Pandemie stark gestiegen war, wurden auch die Preise von H marktüblich geplant und er setzte als Preis € 2.200 pro Welpen fest. Die beiden Verpaarungen waren erfolgreich und es resultierten 10 Welpen. H erzielte somit einen Umsatz von € 22.000 im Jahr 2023. Für das Jahr 2024 plant er einen weiteren Wurf und geht von 12 Welpen aus. Die Aufwände in Höhe von € 24.000 im Jahr 2023, die in Verbindung mit der Zucht stehen, waren höher als der erzielte Umsatz. Da er seine Zucht aus Spaß und der Begeisterung für Hunde führt, sah er sie mehr als ein Hobby und Liebhaberei an und daher ließ er jegliche steuerliche Betrachtung außen vor. Er hatte mal gelesen, dass Hobby und Liebhaberei in Deutschland nicht zu versteuern sein. Liegt der Hundebesitzer und nun auch Hobbyzüchter H hiermit richtig?
In Bezug auf die Umsatzsteuer unterliegt H leider einem Irrtum. Er argumentiert, dass seine Zucht kein Gewinn erzielt und bei ihm auch keine „Gewinnerzielungsabsicht“ vorliegen würde. Für die Umsatzsteuer ist in Deutschland jedoch nicht die Gewinnerzielungsabsicht relevant, sondern es ist zu prüfen, ob eine sogenannte unternehmerische Tätigkeit vorliegt. Damit ist dem Gesetz nach eine Tätigkeit gemeint, die nachhaltig und selbständig zur Erzielung von Einnahmen führt. Diese kann unabhängig von jeglichen Gewinnen vorliegen. Zu beachten ist, dass eine Person umsatzsteuerrechtlich immer nur ein Unternehmen betreiben kann. Würde H sowohl Welpen züchten als auch Hundetraining anbieten und beide die Voraussetzung für eine unternehmerische Tätigkeit erfüllen, so würden sie zusammen als ein Gesamtunternehmen mit einem Gesamtumsatz betrachtet.
Durch die Tatsache, dass H die Welpen nicht mehr nur an Freunde und Familie verschenkt, einen professionellen Auftritt im Internet über seine Homepage sowie den Instagram-Kanal aufgebaut hat und auch nicht nur einmalig oder nur alle x Jahre mal Welpen züchten und verkaufen möchte, liegen viele Indizien für eine unternehmerische Tätigkeit vor. Der fünfte Senat des Bundesfinanzhofes hat sich im Jahr 2021 mit einem solchen Fall und den Kriterien der Unternehmertätigkeit beschäftigt (Aktenzeichen 5 K 3037/19 U).
Wird festgestellt, dass seine Zucht einer unternehmerischen Tätigkeit entspricht, so folgt hieraus, dass er generell umsatzsteuerpflichtig wird und bei seinen Verkäufen 19% Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen hätte. (Ausgenommen hiervon wären steuerfreie Umsätze.) Für seine Eingangsrechnungen könnte H gleichzeitig die gezahlte Vorsteuer gegen diesen Betrag rechnen, und letztendlich wäre nur das positive Delta an das Finanzamt abzuführen. Bei einem negativen Delta stünde H eine Erstattung vom Finanzamt zu. Er hätte unter diesen Bedingungen generell auf seinen Verkaufsrechnung / Verträgen die Umsatzsteuer von 19% ausweisen müssen.
H hat für die Jahre 2023 und 2024 jedoch Glück, denn es gibt eine Ausnahme von der Besteuerung: Die umsatzsteuerliche Kleinunternehmerregelung. Diese besagt, dass wenn im Vorjahr/Erstjahr der Tätigkeit nicht mehr als € 22.000 Bruttoumsatz erzielt wurden bzw. werden sollen (auf 12 Monate gerechnet, zu Beginn der Tätigkeit zu Schätzen) und für das aktuelle/nächste Jahr weniger als € 50.000 Umsatz geschätzt werden, keine Umsatzsteuer auf den Rechnungen ausgewiesen werden und abgeführt werden muss. (Ab dem 01.01.2025 soll es hier zu Veränderungen kommen) (Besonderheiten bezüglich der Schätzung und Abweichung der tatsächlich erzielten Umsätze des Folgejahres (€ 50.000 Grenze) werden hier nicht beleuchtet). Nachteilig könnte in speziellen Konstellationen sein, dass somit natürlich auch die Vorsteuer der Eingangsrechnungen nicht abziehbar ist. (Vor allem bei hohen Anschaffungskosten für Equipment etc. kann dies relevant werden). Weiterhin muss der Zeitpunkt des vorgeschriebenen Wechsels in die Regelbesteuerung aufgrund der Überschreitung der Umsatzgrenzen im Auge behalten werden. Damit ein Kleinunternehmer für alle Beteiligten identifizierbar ist, muss in den Rechnungen ein Verweis auf die Anwendung der entsprechenden Vorschrift gemacht werden, damit die Rechnungen den Vorschriften entsprechen.
Im Folgenden einige Beispiel für die fiktiven Umsätze der Jahre 2023 bis 2026 und der Frage, wann die Kleinunternehmerregelung anwendbar wäre und wann nicht:
Jahr | Erstjahr 2023 | 2024 | 2025 | 2026 |
Beispiel A: | ||||
Umsatz in € | 22.000 | 26.200 | 21.000 | 30.000 |
Konsequenz | Klein-unternehmer (≤ 22.000) | Kleinunternehmer (Vorjahr ≤ 22.000 und aktuelles ≤ 50.000) | Regelbesteuerung (Vorjahr > 22.000) | Klein-unternehmer (Vorjahr ≤ 22.000 und aktuelles ≤ 50.000 |
Beispiel B: | ||||
Umsatz in € | 22.001 | 24.000 | 23.000 | 21.000 |
Regel-besteuerung (> 22.000) | Regel-besteuerung (Vorjahr > 22.000) | Regelbesteuerung Vorjahr > 22.000 | Regel-besteuerung (Vorjahr > 22.000) | |
Beispiel C: | ||||
Umsatz in € | 19.000 | 30.000 | 20.000 | 51.000 |
Konsequenz | Klein-unternehmer (≤ 22.000) | Kleinunternehmer (Vorjahr ≤ 22.000 und aktuelles ≤ 50.000) | Regelbesteuerung (Vorjahr > 22.000) | Regelbesteuerung (Vorjahr zwar < 22.000, aktuelles jedoch > 50.000) |
Für H bedeutet dies, dass er im Jahr 2023 die Kleinunternehmerregelung hätte anwenden können. In seinen Rechnungen wäre dies generell anzugeben. Die gezahlte Vorsteuer auf Eingangsrechnungen wäre nicht abziehbar und würde für ihn eine Ausgabe darstellen. Bis zum Jahr 2024 waren auch Kleinunternehmer verpflichtet, jährlich ihre Umsätze dem Finanzamt zu melden und eine Umsatzsteuererklärung abzugeben. Ab dem Jahr 2024 ist diese Pflicht durch das Wachstumschancengesetz für Unternehmer, die ausschließlich im und mit dem Inland agieren, aufgehoben worden.
und er hätte in seinen Rechnungen die Umsatzsteuer ausweisen müssen. Dies würde jedoch dazu führen, dass seine Welpenverkäufe jeweils einen Bruttobetrag von € 2.200 gehabt hätten und somit € 351 Umsatzsteuer angefallen wären. Bei seinen Eingangsrechnungen hätte er die gezahlte Vorsteuer gegenrechnen können und es wäre nur die positive Differenz an das Finanzamt abzuführen. Eine negative Differenz, die Ausgaben hätten also die Einnahmen überstiegen, würde jeweils zu einer Erstattung des Finanzamtes an H führen.
Im Folgenden soll an einigen Beispielen die Konsequenz von Nutzung der Kleinunternehmerregelung oder der Regelbesteuerung (nach Abgabe einer Steuererklärung und möglicher Erstattungen) aufgezeigt werden:
Beispiel 1: (Ausgaben höher als Einnahmen)
Brutto | Netto | Steuer | |
Einnahmen | € 22.000 | € 18.487 | € 3.513 |
Ausgaben (Futter, Equipment, Tierarzt etc.) | € 24.000 | € 20.168 | € 3.832 |
Jahresergebnis Kleinunternehmer | € -2.000 | ||
Jahresergebnis Regelbesteuerung | € -1.681 |
Beispiel 2: (Einnahmen höher als Ausgaben)
Brutto | Netto | Steuer | |
Einnahmen | € 22.000 | € 18.487 | € 3.513 |
Ausgaben (Futter, Equipment, Tierarzt etc.) | € 17.000 | € 14.286 | € 2.714 |
Jahresergebnis Kleinunternehmer | € 5.000 | ||
Jahresergebnis Regelbesteuerung | € 4.201 |
Beispiel 3: (Ausgaben deutlich höher als Einnahmen aufgrund großer Investitionen)
Brutto | Netto | Steuer | |
Einnahmen | € 22.000 | € 18.487 | € 3.513 |
Ausgaben (Futter, Equipment, Tierarzt etc.) | € 30.000 | € 25.210 | € 4.790 |
Jahresergebnis Kleinunternehmer | € -8.000 | ||
Jahresergebnis Regelbesteuerung | € -6.723 |
Beispiel 4: (vereinfachte Berechnung Steuernachzahlung bei Umsatz > Ausgaben)
Wie würde eine Steuernachzahlung des Hundezüchters berechnet werden, falls er einen Umsatz von € 25.000 und belegbare Ausgaben von € 20.000 erzielt hätte (ohne Betrachtung möglicher Strafzahlungen und bisher noch keiner abgeführten Steuer)?
Brutto | Netto | Steuer | |
Einnahmen | € 25.000 | € 21.008 | € 3.992 |
Ausgaben (Futter, Equipment, Tierarzt etc.) | € 20.000 | € 16.807 | € 3.193 |
Bisher auf dem Bankkonto / Kasse | € 5.000 | ||
Noch Abzuführen an das Finanzamt | € 798 |
Der H hätte somit im Nachhinein noch € 798 an das Finanzamt zu zahlen. Hier bleibt zu hoffen, dass er noch Reserven aus den erzielten € 5.000 zurückbehalten hat. Hierbei sollte beachtet werden, dass nur Ausgaben angesetzt werden können, die auch mit einem entsprechenden Beleg nachweisbar dem Unternehmen zuzuordnen sind. Ohne eine vernünftige Buchhaltung ist dies schwierig, gerade wenn es nicht nur um das Vorjahr, sondern das Vor- Vorjahr oder Vor- Vor- Vorjahr geht.
Abschließendes Fazit
Somit ist als Erkenntnis festzuhalten, dass umsatzsteuerlich schnell eine unternehmerische Tätigkeit vorliegen kann, wenn langfristig Umsätze aus der Tätigkeit erzielt werden sollen, unabhängig davon, ob auch tatsächlich Gewinne erzielt werden. Diese Tätigkeit sollte umgehend, insbesondere wenn Umsätze über € 22.000 pro Jahr erzielt werden, dem Finanzamt gemeldet werden, da Steuernachzahlungen drohen können. Bei Umsätzen unter € 22.000 kann die Situation durch die gesetzliche Kleinunternehmerregelung entschärft werden und die Folgen wären weniger weitreichend. Ab dem Jahr 2024 müsste, anders als in den Vorjahren, als Kleinunternehmer keine Umsatzsteuererklärung mehr abgegeben werden (Exotische Ausnahmen wie innergemeinschaftlicher Erwerb oder innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft werden nicht erläutert). Für die Vorjahre wäre dies allerdings noch verpflichtend. Es ist zu empfehlen, einen genauen buchhalterischen Überblick über die erzielte Umsatzhöhe zu behalten.
Bevor eine solche gewerbliche Tätigkeit erst in Nachhinein vom Finanzamt festgestellt wird und ihr Steuernachzahlungen oder weitere Strafzahlungen folgen, sollten sich rechtzeitig Gedanken gemacht werden, ob ein Hobby wirklich noch ein Hobby ist und ob die, wenn überhaupt vorhandenen, ausgestellten Rechnungen allen Vorschriften entsprechen. Eine im Nachhinein festgestellte unternehmerische Tätigkeit kann zu Nachzahlungen von Umsatzsteuer sowie weiterer Strafzahlungen führen und sollte in keinem Fall auf die leichte Schulter genommen oder gar ausgesessen werden. Aufgrund der Komplexität der Thematik ist es oft ratsam, professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen.
Abschließender Hinweis: Die Bundesregierung plant ab dem 01.01.2025 Änderungen an den Schwellenwerten (Erhöhungen) vorzunehmen. Hier bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Änderungen letztendlich auch entsprechend zum Jahresende verabschiedet werden.
Redaktionelle Änderungen am 24.08.2024 vorgenommen.
Titelbildquelle: Erstellt mit DALL-E, einem KI-Bildgenerator von OpenAI.