von Jan Henrik Albig
In diesem Beitrag möchte ich auf das Steuerberaterexamen blicken, welches ich selbst im Jahr 2022/2023 erfolgreich absolviert habe. Weniger ein Einblick in die Theorie und das benötigte Wissen, sondern vor allem ein Einblick in meine Planung, den notwendigen erheblichen zeitlichen Aufwand und meine entstandenen Kosten. Dieser Beitrag richtet sich somit zum einen an alle, die an dem Examen interessiert sind, vielleicht gerade noch studieren oder in die Branche einsteigen und zum andern auch an alle Angehörigen, die jemanden in ihrem Umfeld haben, der oder die sich dieser großen Herausforderung stellen möchte.
Der schriftliche Teil des Steuerberaterexamen findet jedes Jahr zentral im Oktober statt und besteht aus drei sechsstündigen Klausuren, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen absolviert werden müssen. Die Ergebnisse des schriftlichen Examens werden ab Mitte Dezember bekanntgegeben. Anfang des Folgejahres finden dann die mündlichen Prüfungen statt, wenn die schriftliche Prüfung “bestanden” wurde. Je nach Bundesland schwanken die Termine – sie liegen von Anfang Januar bis ins zweite Quartal hinein. Die mündliche Prüfung besteht aus maximal 6 Prüfungsrunden sowie einem Vortrag und wird in der Regel mit 4-6 Prüflingen durchgeführt.
Um zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden, wird ein Notenschnitt von 4,5 aus den 3 Klausuren benötigt. Sollte man in den schriftlichen Klausuren nicht die 4,5 erreichen oder in der mündlichen Prüfung durchfallen, so muss das gesamte Examen erneut abgelegt werden. Dies kann maximal drei Mal erfolgen.
An dieser Stelle möchte ich gleich auf die „Besonderheit“ des Examens zu sprechen kommen, die gerade für Freunde und die Familie selten greifbar ist: Das Examen ist schwer, sehr schwer und anspruchsvoll. Im Jahr 2023 haben 45,1 % der Teilnehmenden das Examen bestanden (hierbei sind nicht die Personen eingeschlossen, die während des Examens zurückgetreten sind, sonst läge der Wert sogar unter 40 %). Die Personen, die sich dem Examen jedes Jahr im Oktober stellen, haben sich alle ein Jahr lang intensiv vorbereitet. Die Zahl derer, die „just for fun“ an dieser „Gute-Laune-Veranstaltung“ teilnehmen, dürfte deshalb äußerst gering sein. Somit ist die Situation eine andere als in mancher Uni Erstsemesterklausur, wo es auch immer mal wieder hohe Durchfallquoten gibt („Rausschmeißerklausuren“).
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Jahrgang | zur Prüfung erschienen | Prüfung abgelegt ohne Rücktritt | Prüfung bestanden | Bestehensquote (Abgelegt = 100%) | Bestehensquote (Erschienen = 100%) |
2022/2023 | 4438 | 3878 | 1750 | 45,1% | 39,4% |
2021/2022 | 4904 | 4349 | 2538 | 58,4% | 51,8% |
2020/2021 | 4343 | 3746 | 1814 | 48,4% | 41,8% |
2019/2020 | 4496 | 3992 | 2284 | 57,2% | 50,8% |
2018/2019 | 4720 | 4163 | 2392 | 57,5% | 50,7% |
2017/2018 | 4858 | 4309 | 2174 | 50,5% | 44,8% |
2016/2017 | 4795 | 4139 | 1722 | 41,6% | 35,9% |
2015/2016 | 4636 | 4052 | 1867 | 46,1% | 40,3% |
2014/2015 | 4473 | 3988 | 2049 | 51,4% | 45,8% |
2013/2014 | 4430 | 4004 | 2375 | 59,3% | 53,6% |
10-Jahresdurch-schnitt | 51,5% | 45,5% |
Quelle der Zahl der Teilnehmenden: Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe
Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass die Ergebnisse in vielen Jahren wenig Freude unter Prüflingen verbreiten. War das Jahr 2021/2022 noch recht erfreulich, folgte mit dem Jahr 2022/2023 ein deutlich schlechteres Ergebnis. Gerade die Bestehensquote nach den zur Prüfung erschienen Personen (hier sind noch Personen enthalten, die vor dem Ende des dritten Prüfungstages während der Prüfung zurückgetreten sind – dies stellt kein Fehlversuch dar) zeigt noch einmal deutlich drastischer, wie wenige Teilnehmende erfolgreich das Examen abschließen. (In „fett“ sind alle Jahre markiert, in denen die jeweilige Quote unter 50% lag). Wichtig ist anzumerken, dass es sich bei den Werten um den Bundesdurchschnitt handelt. Je nach Bundesland schwanken die Ergebnisse zum Teil erheblich. Hier sind für das Jahr 2022/2023 vor allem Berlin mit einer Bestehensquote von 25,7 % / 19,7 %, sowie Mecklenburg-Vorpommern mit einer Quote von 21,7 % / 17,2 % zu nennen. Zu diesen beiden Quoten fällt es schwer, positive Worte zu finden.
Ich selbst habe eine sehr ordentliche Leistung in einer kaufmännischen Ausbildung erzielt und auch mein BWL-Studium sehr erfolgreich abgeschlossen. Das StB-Examen war hingegen eine nicht vergleichbare Hürde, da alle Gegebenheiten bei diesem Examen anders sind. Somit mein „Appell “ an alle Freunde und Familien. Die Sprüche: Du schaffst das schon; Du hast bis jetzt alles geschafft; Du bist doch ein Fleißiger; Wenn nicht du, wer sonst – sollten äußerst sparsam eingesetzt werden. Der Druck ist hoch, für viele ist dieses Examen im Zweifel die erste Challenge, die nicht im ersten Anlauf geschafft wird und die einen immensen Druck ausübt. Versuchen Sie, den Kandidaten den Rücken zu stärken und nehmen sie es ihnen nicht übel, wenn sie für mehrere Monate kaum greifbar sind und seien Sie nicht direkt besorgt, wenn es nur 5en und 6en in den Probeklausuren zurückgibt. Seien Sie nicht verwundert, wenn auf die Frage, wie der Kurs und die Vorbereitung laufen, nur eine mürrische Antwort folgt. Das Wichtigste ist dranzubleiben, sich Mut zu zusprechen und die Erwartungshaltung auf das Ziel “Bestehen” zu fokussieren. An alle Teilnehmenden: Macht euch nicht zu viel Hoffnung. Auch wenn man es mehrmals versucht, seinen Liebsten und Freunden zu erklären, für die meisten ist der Schwierigkeitsgrad logischerweise nicht greifbar und eine solche Klausurbelastung nicht vorstellbar.
Ich habe nach meinem BWL-Bachelorstudium so mit der Vorbereitung auf das Examen begonnen, dass ich nach der Mindestarbeitszeit (bei einem Bachelortitel von 3 Jahren) bei dem Examen antreten konnte. An dieser Stelle der kurze, aber wichtige Hinweis: Wer schnell ins Examen möchte, sprich genau nach bspw. 3 Jahren Berufserfahrung (bei einem Bachelorabschluss) sollte sich frühzeitig mit den Vorgaben auseinandersetzen. Freistellung, Urlaub, Fortbildungen oder lange Fehlzeiten werden von dieser Zeit abgezogen. Wer im August seinen Job beginnt und 3 Jahre später im Oktober teilnehmen möchte, der hat nur einen geringen Puffer. Die offizielle Zulassung durch seine zuständige Steuerberaterkammererhält man erst im Sommer, somit wenige Monate/Wochen vor dem Examen. Eine abgelehnte Zulassung aufgrund falscher Berechnung wäre der worst case, da zu diesem Zeitpunkt schon ein Großteil der Zeit, der Nerven, der eigenen Energie und des Geldes investiert wurden.
Meine fachliche Vorbereitung begann fast genau 1 Jahr vor dem schriftlichen Examen. Mein Fahrplan sah wie folgt aus, jeweils mit meinen Ausgaben hierzu:
Schriftlich:
Abendkurs ab Oktober 2021 bis Sommer 2022 | Anbieter A | 4.600 € |
Onlinekurse für 3 Monate zwischendurch | Anbieter B | 366 € |
Intensivlehrgang 24 Tage | Anbieter C | 2.990 € |
7.956 € |
Mündlich:
Wochenendkurs ab November | Anbieter D | 620 € |
Prüfungssimulation im Januar 2023 | Anbieter D | 655 € |
1.275 € |
Der Abendkurs nahm hierbei die meiste Zeit in Anspruch. Dieser fand anfangs zweimal pro Woche statt. Jeweils von 17:30 Uhr bis 20:30 Uhr nach einem Arbeitstag. Hier wurde versucht, den gesamten Prüfungsstoff zu behandeln. Um dies zu ermöglichen, erfolgte in diesen 3 Stunden jeweils ein Vollsprint durch die einzelnen Steuergebiete. Nach einem normalen Arbeitstag oftmals erschlagend! Bereits in dieser Phase kommen zu dem normalen Arbeitsvolumen sechs anstrengende Unterrichtsstunden pro Woche hinzu.
Ab dem Anfang des nächsten Jahres kamen alle paar Wochen sechsstündige Probeklausuren hinzu (18x in diesem Kurs) sowie an anderen Samstagen weitere sechsstündige Lerneinheiten. Zu den Terminen innerhalb der Woche wurden in jeder Woche nach einer Klausur Klausurbesprechungen angeboten, in denen innerhalb von zwei Stunden Besonderheiten der letzten Klausur beleuchtet wurden. Somit wurde im Laufe des ersten Halbjahres die Woche immer voller. Die Bezeichnung „Abendkurs“ ist somit etwas wohlwollend ausgedrückt und sollte nicht zu ernst genommen werden.
Ab Mitte Juli folgte die intensive Vorbereitung mit einer dreimonatigen Freistellung. Möglich gemacht mit angespartem Urlaub und Überstunden sowie Bildungsurlaub. Im Nachhinein kann ich als Tipp sagen: lieber vorher nochmal einen richtigen Urlaub genießen, als zu viele Tage krampfhaft anzusparen. Spart man in dem Vorbereitungsjahr oder den Jahren davor bereits viel, meldet die innere Batterie im Zweifel schnell einen Leerstand in der wichtigsten Phase. Eine Alternative stellen unbezahlte Urlaubstage zur Vorbereitung dar. Das entgangene Gehalt sollte jedoch in die Kalkulation aufgenommen werden.
In den letzten Wochen vor dem Examen folgte der abschließende Vorbereitungskurs. Auch hier galt: Vollgas. In drei Wochen wurde, bis auf zwei Tage zum „Verschnaufen“ jeden Tag intensiv der Stoff wiederholt und zusätzlich neun Probeklausuren geschrieben.
Bezüglich der oben genannten Kosten sind noch folgende Positionen bei mir relevant gewesen:
- Anmeldegebühren 1.700 €
- Gesetze, weitere Lehrbücher usw. 500 €
Es lagen somit Kosten von rund 11.400 € vor (ich habe die aktuellen Preise geprüft, diese sind zum Teil stark gestiegen (von 5 % bis über 15 %). Je nach Arbeitgeber werden hiervon in vielen Fällen zumindest Teile übernommen, jedoch ist die finanzielle Belastung nicht zu unterschätzen. Für einen zweiten Versuch entfallen sicherlich einige Positionen, doch auch hier müssen oftmals erneut hohe Geldbeträge aufgebracht werden.
Das Problem bei diesem Examen ist sicherlich nicht die Komplexität der einzelnen Steuergebiete an sich. Natürlich sind diese kompliziert aber könnten mit ausreichender Vorbereitungszeit für jedes Fachgebiet gut vorbereitet werden. Das Problem ist schlicht die Zeit. Von dieser gibt es viel zu wenig. Ab Beginn der Vorbereitung wird man zum Großteil von dem Stoff erschlagen. Die Zeit zum Nacharbeiten ist durch den weiterlaufenden Job sehr rar. Schnell entsteht der wackelige Spagat zwischen: am Wochenende oder abends nochmal die Unterrichtseinheiten nacharbeiten oder von der Doppelbelastung erholen. Weiterhin gilt es den Zeitpunkt zu finden, ab dem das Lernvolumen erhöht wird, um bis zum Examen durchzuhalten und nicht zu spät oder zu früh damit zu starten.
Ein wichtiger Faktor, der meiner Meinung nach nicht unterschätzt werden sollte, ist die Tatsache, dass es schlechte Noten in den Probeklausuren geben wird. Das jahrelang vorgelebte Notensystem aus Schule, Ausbildung und Studium sollte nicht der Maßstab sein. Ist man es sonst vielleicht gewohnt gewesen eine 1,0 als Ziel zu haben, lautet das neue Ziel oftmals 4,5. Dies ist ungewohnt, dies belastet, ist die Situation doch sehr neu. Den notengetriebenen Perfektionsgedanken sollte man versuchen abzulegen. Die Perfektion in dieser Challenge besteht primär in dem Bestehen des Examens. Meine erste Probeklausur hatte die Note 5,5. Man versucht, sich sechs Stunden lang durch die Fälle zu arbeiten und dann reicht es doch nur für erschreckend wenige Punkte. Da schluckt man erstmal und es gilt, sich daran zu gewöhnen, dass viele Teile der Klausuren oftmals nicht umfassend genug gelöst werden können. Viele Sachverhalte liest man zum ersten Mal, Verzweiflung und Panik kommen auf. Mal geht es zwei Schritte nach vorne, in einer anderen Klausur wieder drei zurück. Da gilt es ruhig zu bleiben und zu versuchen, die Basics aufs Papier zu bringen. Auch im Jahr 2023 dürfte dies im Examen ein wichtiger Aspekt gewesen sein. Wurden doch viele ungewohnte Thematiken abgeprüft, bei denen es galt, ruhig zu bleiben und in das zu vertrauen, was man gelernt hat.
Meine Ausführungen sollen einen kurzen Einblick in die von mir als relevant erachteten Vorbereitungsaspekte geben und ein Verständnis über die Vorbereitungszeit schaffen. Mit dem zeitlichen Aufwand geht ein sehr hoher Freizeitverzicht einher. Eine Belastung für Beziehungen, ein Verzicht auf Hobbys und Freunde und auf Urlaub. (Im Prüfungsjahr 2022 konnte ich selbst 5 Urlaubstage nehmen, im Prüfungsjahr 2023 blieben 18 Urlaubstage über). Alle Personen, die das Examen im ersten Anlauf nicht schaffen und sich im Folgejahr erneut probieren, gehört meiner Meinung nach der höchste Respekt. Diese Aufopferung ist vor allem heutzutage, wo vielerorts die Vier-Tage Woche diskutiert wird, keine Selbstverständlichkeit mehr.
Es wurden alle Aspekte nur angerissen und die Ausführungen sollten nicht genutzt werden, um eine persönliche Lernstrategie oder Kursplanung direkt abzuleiten. Hierfür sind die Wege zum StB zu individuell und die Lerntypen zu unterschiedlich, um eine allgemein-gültige Empfehlung zu machen. Die Zeit ist hart, aber natürlich gibt es auch viele Momente, in denen der Spaß und die Freude überwiegen. Es wird einem die Möglichkeit geboten, an dem Examen zu wachsen und viele wichtige Erfahrungen zu sammeln.
Abschließend noch ein paar generelle Gedanken zum Examen: Der Berufsstand braucht dringend Nachwuchs, das Examen ist abschreckend und schwierig. Es benötigt neue Konzepte von der Examensgestaltung, um bei gleichbleibenden Prüfungsniveau die Attraktivität und Vereinbarkeit mit dem eigenen Leben zu ermöglichen. Aussagen wie: Da mussten wir alle durch; Wer in dieser Branche arbeiten möchte, der muss sich beweisen; Dann verzichtet man halt ein oder zwei Jahre auf alles, was ist schon dabei; Keine Kinder vorm Steuerberater – sind nicht mehr zeitgemäß. Viele Branchen haben in den letzten Jahren an Ihrer Attraktivität gearbeitet und drohen, gute Steuerberater und Beraterinnen der Zukunft bereits von der Uni aus mit spannenden Angeboten und Positionen in andere Bereiche zu locken. Beim StB-Examen merkt man hiervon wenig. Es gilt das Motto: Never change a running system. Das running system hustet und keucht jedoch bereits an vielen Stellen. Die Folgen sind bereits sichtbar, wenn der Altersdurchschnitt der Steuerberater und -beraterinnen betrachtet wird und dass immer öfters Steuerberater und -beraterinnen mit 70 Jahren weiterarbeiten müssen, weil sie für ihre Kanzlei keinen Nachfolger oder Nachfolgerin finden.
Auch die Arbeitgeber sollten ihre Unterstützung und Anreize hinterfragen. Das Examen ist finanziell herausfordernd. Die Kursgebühren steigen stetig. Die Gehälter sind vorher oftmals schwach, große Reserven für die Prüfungskosten anzusparen, ist unter diesen Voraussetzungen mühselig. Der Urlaubsverzicht und Freizeitverzicht sind neben dem weiterhin bestehenden Fulltime-Job belastend. Es müssen frühzeitig attraktive Karrierewege gezeigt werden, die motivieren und Lust machen, sich einer solchen Herausforderung zu stellen, so dass auch weiterhin genügend Personen den Mut und die Ambition haben, sich dem Examen zu stellen und nicht bei möglicherweise leichteren Karrierewegen schwach werden. Um nicht missverstanden zu werden: Es geht mir nicht um Jammern über eine schwere selbstgestellte Aufgabe. Ich bin froh, sie angegangen zu sein und stolz und dankbar, sie bewältigt zu haben. Aber in Zeiten, in denen die Politik darüber nachdenkt, wie die immense Fachkräftelücke in Deutschland dadurch geschlossen werden kann, Menschen aus der ganzen Welt zu uns zu holen, erscheint es mir anachronistisch und für unseren Wirtschaftsstandort und die Branche gefährdend, jedes Jahr 50 % der motivierten Prüflinge, die bereit sind, eine solche Last auf sich nehmen, die Botschaft mitzugeben „Ihr seid ungeeignet“. Ungeeignet erscheint mittlerweile lediglich dieses System massiver Ressourcenverschwendung. Das ist kein erfolgreicher Weg, eine Beraterelite zu bilden – das ist lediglich ein riskantes Spiel mit der Zukunft unseres stolzen Berufsstandes.
Bildquelle: Erstellt mit DALL-E, einem KI-Bildgenerator von OpenAI.